Forderung an die EU: Zelluläre Landwirtschaft voranbringen

Unter den vielen globalen Problemen unserer Zeit gibt es eines, das besonders oft verdrängt wird, obwohl es beträchtlich zur Klimakrise beiträgt, ein Hotspot für die Bildung multiresistenter Pathogene (FAO, 2016) darstellt, einen beträchtlichen Ressourcenverbrauch mit sich bringt, und ein Grund für massives Leid auf der Welt ist: die (intensive) Tierhaltung.

Auch wenn der Konsum und die Produktion von Fleisch, Fisch und Milchderivaten in Europa drastisch zurückgehen würde (was es nicht tut, siehe OECD, 2021), wird der weltweite Konsum an Tierprodukten – trotz des sanften COVID-19-bedingten Rückgangs – weiterhin Jahr für Jahr neue Rekorde erreichen (OECD, 2021). Der Grund dafür ist, dass sich das Konsumverhalten von Menschen ändert, sobald sie es aus der Armut herausbrechen (was natürlich absolut erstrebenswert ist) und Fleisch und Co. immer öfter einen Platz im Speiseplan finden (Destatis, 2021).

Und auch wenn das gesellschaftliche Bewusstsein zur Problematik der Tierhaltung im globalen Norden zunimmt, und viele sich bewusst für eine Reduktion ihres Fleischkonsums entscheiden und nach Alternativen greifen, ist es vielleicht etwas zu optimistisch zu hoffen (um nicht zu sagen “illusorisch”), dass diese vom Willen einzelner Individuen abhängige Verhaltensänderung sich erfolgreich durchsetzen und das globale Nahrungsmittelsystem langfristig verändern wird.

Das heißt natürlich nicht, dass wir Initiativen wie Meatless Mondays, oder Veganuary aufgeben sollten. Denn es sind genau solche Bewegungen, die die Basis für den gesellschaftlichen Druck zur Veränderung an die Politik verkörpern und den Willen systemische Lösungsansätze in Erwägung zu ziehen, wie etwa die zelluläre Landwirtschaft.

Zelluläre Landwirtschaft ermöglicht uns, die Tierprodukte, die wir kennen und gelernt haben zu lieben, eins zu eins auf eine alternative (ressourcenschonendere) Art und Weise zu produzieren. Sehr vereinfacht dargestellt: Durch die vermehrte Replikation einzelner tierischer Stammzellen (die dem Tier schmerzfrei entnommen werden) wird im Bioreaktor Fleisch produziert. Mit dem Verfahren können auch andere Tierprodukte produziert werden, wie etwa Leder, Wolle, Pelz, etc.

Laut dem Life Cycle Assessment und der Techno-Economic Analysis der gemeinnützigen Organisation CE Delfts ist die Technologie durch einen geringeren Verbrauch an natürlichen Ressourcen gekennzeichnet und hätte – auch wenn es durch konventionelle Energiequellen angetrieben wäre – einen deutlich geringeren CO2-Fußabdruck als rotes Fleisch (und ist mit Schweine- und Hühnerfleisch vergleichbar). Im Falle von nachhaltigen Energiequellen würden die Treibhausgasemissionen der Technologie auch besser ausfallen als die von Schweine- und Hühnerfleisch.

Doch trotz des vielversprechenden Ansatzes bleibt das Wissenschaftsfeld der zellulären Landwirtschaft chronisch unterfinanziert, auch in der EU hatten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bis vor Horizon 2020 Schwierigkeiten an Forschungsgeldern zu gelangen (ProVeg, 2020). Wie in vielen Technologiebereichen ist die USA auch hier Vorreiter, fast ausschließlich durch das finanzielle Interesse des privaten Sektors (GFI, 2021). Ein Highlight gab es in Dezember 2020 als das US-Unternehmens Eat Just, Inc die erste Marktzulassung weltweit für sein kultiviertes Hühnerfleisch in Singapur erhielt.

Trotz dieses Erfolges ist kultiviertes Fleisch noch weit davon entfernt mit der konventionellen Fleischproduktion konkurrenzfähig zu sein. Auch das Hühnerfleisch (GOOD Meat) von Eat Just, Inc ist ausschließlich in selektionierten Restaurants in Singapore verfügbar. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler arbeitet seit Jahren daran die Kosten der Produktion zu reduzieren, mit großen Erfolg! Doch die Kosten sind noch bei über $100 pro kg (CE Delfts, 2021, p. 16)- immer noch weit entfernt vom aktuellen Fleischpreis. Grund dafür sind weiterhin Herausforderungen bei der Skalierbarkeit als auch bei der Entwicklung eines kostengünstiges Wachstumsmediums. Beides Aspekte, die durch vermehrte Forschung bis dato verbessert wurden, doch – wie jede andere Technologie – hohe Kosten in Anspruch nimmt. Kosten, die mehr Staaten weltweit (und auch die EU) vermehrt helfen sollten zu decken.

Denn wir alle sollten ein Interesse daran haben, die Entwicklung von kultivierten Nahrungsmitteln voran zu bringen um unser Nahrungsmittelsystem weiterentwickeln zu können.

Interesse die Idee an die Europäische Kommission und das Europäische Parlament zu bringen?
Dann unterstütze sie hier: The future of food: cellular agriculture – meat without its downsides

Mehr deutschsprachige Information zum Thema findest du auf der ProVeg Webseite.

Illustration by Nick Counter for New Harvest // CC BY-NC-SA  4.0

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